Vernetzt für eine optimale Betreuung von Herzschwäche-Patienten

Wien (pts025/04.05.2017/13:40) – „Es ist höchst an der Zeit, dass wir auch in Österreich ein bundesweit einheitlich strukturiertes Versorgungsprogramm installieren, in dem alle an der Versorgung von Herzinsuffizienz-Patienten Beteiligten – vom Hausarzt bis zur Spezialambulanz – in vernetzter Weise eingebunden werden“, sagt Prim. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Berger (KH der Barmherzigen Brüder Eisenstadt), Leiter der Arbeitsgruppe Herzinsuffizienz der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft anlässlich des „Europäischen Tages der Herzinsuffizienz 2017“.

Trotz deutlicher Fortschritte in der Behandlung der Herzinsuffizient (HI) in den vergangenen Jahren – zum Beispiel Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitoren oder implantierbare Mini-Defibrillatoren und Geräte zur kardialen Resynchronisation – ist die Sterblichkeit nach wie vor hoch und die Häufigkeit von Krankenhausaufnahmen wegen akuter Verschlechterung der Krankheit steigend. „Wird heute jemand mit der Diagnose Herzinsuffizienz aus dem Spital entlassen, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass er innerhalb von 30 Tagen wieder aufgenommen werden muss, 20 Prozent“, so Prof. Berger. „Innerhalb der nächsten drei Monate steigt sie auf 40 Prozent und im Zeitraum von einem halben Jahr sehen wir 50 Prozent der Patienten wieder.“

Zwar überleben dank der modernen Herzmedizin immer mehr Menschen einen Herzinfarkt oder eine Herzklappenentzündung, letztlich mündet das aber immer in einer Schwächung des Herzens. In Österreich dürften 250.000 bis 300.000 Menschen von einer solchen HI betroffen sein. Bei den über 65-Jährigen ist HI inzwischen die häufigste Entlassungsdiagnose aus dem Krankenhaus. Das HI-Risiko steigt mit dem Alter, daher werden auch die Fallzahlen in unserer älter werdenden Bevölkerung steigen. Prof. Berger: „Für Betroffene bedeutet eine Herzinsuffizienz nicht nur eine erhebliche Einschränkung ihrer Lebensqualität, mit einer Fünf-Jahres-Sterblichkeit von 50 Prozent liegt die Mortalität deutlich über jener der meisten Krebserkrankungen.“

Strukturprobleme: Nicht alle Behandlungsmöglichkeiten kommen bei Patienten an

Dabei gibt es allerdings ein großes Verbesserungspotential: „Wir schaffen es in den derzeitigen Versorgungsstrukturen nicht, dass wirklich die gesamte Palette unserer Behandlungsmöglichkeiten bei allen Patientinnen und Patienten ankommt“, so Prof. Berger. „Unser dringender Appell kann deshalb nur lauten, sofort mit der Umsetzung strukturierter Versorgungsprogramme zu beginnen.“

Doz. Mörtl: „Disease-Management-Programme verbessern Überlebensrate und sparen Kosten“

„Herzinsuffizienz eignet sich wie kaum eine andere Krankheit für eine mehrstufige und vernetzte medizinische Betreuung. Wie Studien zeigen, lassen sich durch strukturierte Behandlungsprogramme nicht nur Spitalsaufenthalte und Mortalität signifikant senken, sondern auch Kosten sparen“, so OA Priv.-Doz. Dr. Deddo Mörtl (Universitätsklinikum St. Pölten), Stv. Leiter der AG Herzinsuffizienz. „Wir gehen davon aus, dass zwei Drittel der Wiederaufnahmen von Herzinsuffizienz-Patienten durch verbesserbare Faktoren wie schlechte Entlassungsplanung, unzureichende Nachkontrollen, Nichtbefolgung von Therapieempfehlungen, fehlende soziale Unterstützung oder zu späte Inanspruchnahme medizinischer Hilfe mitverursacht werden.“ Jeder Faktor ließe sich durch die Betreuung in gezielten Disease-Management-Programmen (DMP) deutlich verbessern.

Die Auswertung von 47 Arbeiten, in denen unterschiedliche Versorgungsmodelle untersucht wurden, hat ergeben, dass sich die Wiederaufnahmeraten mit Hausbesuchsprogrammen innerhalb von drei bis sechs Monaten um 25 Prozent reduzieren lassen. Mit multidisziplinären Klinik-Programmen sank sie sogar um 30 Prozent. Die Sterblichkeit ging im selben Zeitraum um 23 bzw. 44 Prozent zurück. Allein schon mit strukturierter Betreuung über das Telefon ließ sich die Sterblichkeit um 31 Prozent senken.

Angesichts dieser Ergebnisse stellen HI-DMP für die European Society of Cardiology seit Jahren eine Klasse 1A-Indikation dar. Doz. Mörtl: „Das bedeutet, dass führende Experten eine eindeutige Empfehlung dafür aussprechen, die mit dem höchstmöglichen Evidenzgrad untermauert ist.“

Positionspapier der AG Herzinsuffizienz: Multidisziplinäre Vernetzung auf allen Ebenen

Die AG Herzinsuffizienz hat ein Positionspapier erarbeitet, das die für den Aufbau eines DMP geforderten Komponenten zusammenfasst. Doz. Mörtl: „Grundvoraussetzung solcher Modelle ist die Einbindung und Vernetzung aller Versorgungsebenen und in die Betreuung der Herzinsuffizienz involvierten Berufsgruppen. Auf Herzinsuffizienz spezialisierte Spitalsambulanzen spielen als fachliche Anlaufstelle eine zentrale Rolle. Doz. Mörtl: „Davon gibt es in Österreich zwar einige, für eine flächendeckende Versorgung aber deutlich zu wenige.“

Um diese Spezialambulanzen herum braucht es ein Netz an Allgemeinmedizinern und niedergelassenen Fachärzten. Wichtig ist, dass alle Beteiligten soweit miteinander verbunden sind, dass die relevanten Patienteninformationen ausgetauscht und an jeder Stelle der Versorgungskette verfügbar gemacht werden können. Zudem braucht es einheitliche, leitliniengerechte Behandlungsrichtlinien und Algorithmen, damit alle involvierten Berufsgruppen am gleichen Strang ziehen, und Standards für die Patientenschulung. Doz. Mörtl: „Damit wird auch die Eigenverantwortung der Patienten gestärkt, was erheblich zu verbesserten Behandlungsergebnissen beiträgt.“

Nicht zuletzt sind für ein effektives DMP Spezialisten nötig. In den internationalen Richtlinien wird empfohlen, dass 25 Prozent der in spezialisierten Krankenhäusern Kardiologen ihren Schwerpunkt in der Behandlung der HI haben sollten. Landesweit sollte ein HI-Spezialist pro 100.000 Einwohner verfügbar sein. Ähnliches gilt für die in DMP unverzichtbaren Pflegekräfte.

DMP sparen Gesundheitskosten

Für die Behandlung der Herzinsuffizienz wenden wir bereits jetzt etwa zwei bis vier Prozent des gesamten Gesundheitsbudgets auf. Das sind rund 350 Millionen Euro pro Jahr, etwa zwei Drittel davon entfallen auf die Finanzierung von stationären Behandlungen. Doz. Mörtl: „Die bisherige Datenlage zeigt, dass – wenn bestimmte Standards erfüllt sind – es kaum ein DMP für Herzinsuffizienz gibt, das nicht kosteneffektiv ist. Mit einem gut designten Programm lassen sich zum Beispiel bis zu 50 Prozent der Spitalsaufenthalte vermeiden.“

ÖGKV-Präsidentin Frohner: Zentrale Rolle der Pflegekräfte in der strukturierten Betreuung

Gerade in der Behandlung der HI spielen Pflegekräfte eine enorm wichtige Rolle, sagt Ursula Frohner, Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes (ÖGKV). Zentrale Aufgabe sei, die Erkrankten in ihrer eingeschränkten Lebenssituation fachkompetent zu begleiten und der Situation angepasst zu motivieren und gesundheitsfördernde Maßnahmen zu setzen. Erklärtes Ziel ist größtmögliche Therapietreue und überflüssige Hospitalisierung zu verhindern. Frohner: „Am effizientesten geht das im Rahmen strukturierter Betreuungsprogramme.“ Je nach Setting von DMP übernehmen Pflegekräfte die Hausbesuche, halten über das Telefon Kontakt zu den Patienten oder koordinieren die telemedizinische Überwachung.

„Es ist kein Zufall, dass in den Richtlinien der ESC für die effiziente und flächendeckende Betreuung von Herzinsuffizienz-Patienten gleich viele besonders geschulte Pflegepersonen wie Ärzte empfohlen werden“, so Frohner. „Demnach sollte mindestens eine pro 100.000 Einwohner zur Verfügung stehen. Für Österreich wären das rund 85 spezialisierte Fachkräfte.“

Das Problem dabei: Eine landesweit einheitliche Spezialausbildung, wie es sie in vielen Ländern bereits gibt, fehlt in Österreich. Frohner: „Der ÖGKV entwickelt daher derzeit basierend auf dem Rahmen des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes und den Guidelines der ESC ein österreichweites Bildungsangebot für Gesundheits- und Krankenpflegepersonen mit dem Ziel, die notwendigen speziellen Wissensinhalte zu vermitteln.“

Patientenvertreter Radl: „Trotz Herzschwäche ein gesundes und aktives Leben führen“

„Der Herzverband sieht seine Aufgabe darin, Menschen mit Herzschwäche wieder zu einem aktiven, gesunden, selbstbestimmten und optimistischen Leben zu verhelfen“, sagt Franz Radl, Präsident des Wiener Herzverbandes. In sieben Landesgruppen werden nicht nur Koronar-Turnen, sondern auch wöchentliche Wanderungen, Nordic Walking oder Radtouren angeboten. Radl: „Unsere Angebote, die wir in Zusammenarbeit mit der PVA und diversen Reha-Einrichtungen entwickelt haben, sind auf die besonderen Erfordernisse der Herz-Rehabilitation und auf die Leistungsfähigkeit jedes und jeder einzelnen zugeschnitten.“

All das findet unter Anleitung diplomierter Physiotherapeuten und anderer Trainer statt. Dazu kommen Turn- und Wanderwarte, die alle zumindest einmal pro Jahr zu Fortbildungsveranstaltungen gehen und so stets die neuesten Erkenntnisse aus Medizin, Reha-Forschung und Sportwissenschaften in ihre Arbeit einbringen. Insgesamt widmen sich weit über 100 Mitarbeiter der Betreuung der österreichweit zirka 10.000 Mitglieder.

„Neben dem maßgeschneiderten Bewegungstraining finden unsere Mitglieder aber auch in vielen anderen Lebensfragen Hilfe und Unterstützung“, berichtet Radl. „Darüber hinaus profitieren die Mitglieder ganz praktisch von Tipps und Ratschlägen, die sie untereinander austauschen. Patienten, die schon länger dabei sind, geben dabei nicht nur ihre Erfahrungen mit Medikamenten oder anderen Therapieangeboten weiter, sondern helfen auch bei notwendigen Lebensstil-Umstellungen.“

Mit diesen Erfahrungen kann Radl der Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit von DMP nur zustimmen: „Schließlich leben wir im Herzverband seit mehr als 40 Jahren täglich vor, dass die lebenslange, strukturierte und qualitätsgesicherte Betreuung von Herzpatienten der beste Weg ist, sie in ein gesundes und möglichst langes Leben zu begleiten.“

Mit freundlicher Unterstützung von: Boston Scientific – Merck – Novartis – Orion Pharma – Servier

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