Wien/Klagenfurt (pts014/15.10.2018/11:55) – „Anlässlich des Welt-Anästhesie-Tages am 16. Oktober fallen in diesem Jahr zwei wichtige Aufklärungs-Aktivitäten zusammen. Die Weltföderation der Anästhesiologie-Gesellschaften (WFSA) propagiert die „The Right Stuff“-Kampagne. Gemeinsam mit der WHO hat die WFSA in diesem Jahr ihre internationalen Standards für sichere Anästhesie (1) veröffentlicht. Sie sollen weltweit propagiert und in allen Ländern umgesetzt werden. Gleichzeitig findet am gleichen Tag auch der erste „World Restart a Heart Day“, also der Welttag der Reanimation statt“, sagt Univ.-Prof. Dr. Rudolf Likar, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI).
Für die breite Öffentlichkeit ist die Koinzidenz mit der „World Restart a Heart“-Initiative von besonderer Bedeutung. „Wie schon der Name unserer Fachgesellschaft als Vereinigung der österreichischen Spezialisten für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin zeigt, sind die Maßnahmen zur Wiederbelebung integraler Bestandteil unseres Faches. Wir propagieren das Training für den akuten Ernstfall im Rahmen der Laienreanimation“, sagt Univ.-Prof. Dr. Klaus Markstaller, Vorstand der Universitätsklinik für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie der Medizinischen Universität Wien/AKH Wien und President elect der ÖGARI.
Jede Sekunde zählt: Laienreanimation kann Überlebensrate verdreifachen
„Jeder Mensch kann ein Leben retten!“ ist das Motto des ersten „World Restart a Heart Day“. Thematisiert wird dabei ein zentrales Anliegen im Bereich des Rettungsdienstes. Allein in Europa und den USA sterben jährlich rund 700.000 Menschen, weil sie bei einem akuten Herz-Kreislauf-Stillstand nicht rechtzeitig wiederbelebt werden. „Wir wissen, dass in diesen Fällen jede Sekunde zählt. Wenn eine Laienreanimation rechtzeitig gestartet und damit die Zeit bis zur professionellen Reanimation überbrückt wird, kann etwa die Hälfte der von einem Herz-Kreislauf-Stillstand Betroffenen ein gutes Überleben ermöglicht werden. Wird auf das Eintreffen des professionellen Rettungsdienstes gewartet, sinkt dieser Prozentsatz auf unter zehn Prozent“, betont ÖGARI-Präsident Prof. Likar.
Da das Gehirn schon nach drei bis fünf Minuten ohne funktionierende Sauerstoffversorgung beginnt, eine schwerwiegende Schädigung zu erleiden, ist ein frühzeitiger Reanimationsbeginn durch Laien und Ersthelfer entscheidend für das Überleben, sagt Prof. Markstaller: „Der Start der Wiederbelebungsmaßnahmen bereits durch am Ort des akut lebensbedrohlichen Zwischenfalls anwesenden Laien noch vor dem Eintreffen der Rettung verdreifacht die Überlebensrate“ (2).
„Zugewartet wird zumeist aus Unsicherheit und Unwissen. Kampagnen zur Bewusstseinsbildung und zum Training in Laienreanimation möglichst breiter Bevölkerungsschichten haben nachweislich Erfolge gebracht“, betont Prof. Markstaller. So zeigte sich nach Kampagnen im Rahmen der „KIDS SAVE LIVES“-Aktion in Deutschland unter Schülern zwischen acht und 12 Jahren, dass beispielsweise in Deutschland der Anteil der Laienreanimation von unter 20 Prozent auf 42 Prozent (2017) gesteigert werden konnte (3).
Die Empfehlungen für die Laienreanimation haben sich gerade in den vergangenen Jahren so verändert, dass die Anwendung vereinfacht wurde. So wird weniger Wert auf die Beatmung als auf die schnelle und richtige Herzmassage, also Kompression des Brustkorbes (Thoraxkompression), gelegt. Da bei einem akuten Kreislaufstillstand das Blut zunächst ja noch eine ausreiche Sauerstoffsättigung aufweist, ist die Wiederherstellung der Zirkulation des Blutes das primäre Ziel. Damit muss nicht sofort mit der Mund-zu-Mund-Beatmung begonnen werden, vor der Laien oft zurückschreckten.
Die Thoraxkompression im unteren Drittel des Brustbeines mit fünf bis sechs Zentimeter Tiefe und in einer Frequenz von 100/Minute – das ist das einfache und sehr wirksame Mittel. Doch es ist international noch viel zu tun. So schwanken die Laienanimationsraten im Ernstfall je nach Land zwischen fünf und 80 Prozent.
Einige Fortschritte
Trotzdem hat sich doch einiges zum Besseren verändert. „Hier muss man vor allem die Verfügbarkeit von Defibrillatoren in der Öffentlichkeit nennen. In Wien sind sie mittlerweile auf breiter Basis installiert. Die Initiative ist im Wesentlichen auf die Aktivitäten von „PULS – Verein zur Bekämpfung des plötzlichen Herztodes“ https://www.puls.at zurückzuführen. Ein Teil dieser Initiative ist, dass die Streifenwagen der Polizei Defis an Bord haben und die Beamten ausgebildet worden sind. Die Polizei ist im Ernstfall häufig schneller am Ort des Geschehens als der Rettungsdienst, weil sie auf Patrouille ist und viel mehr Einsatzwägen im Dauereinsatz hat“, sagt Prof. Markstaller. „Derzeit wird gerade eine große wissenschaftliche Untersuchung durchgeführt, um die Effekte dieser innovativen Maßnahmen zu bewerten. Es ist jetzt schon ersichtlich, dass dramatisch bessere Ergebnisse bei der Wiederbelebung von Menschen mit akutem Kreislaufstillstand erreicht werden.“
Weltweit gültige Standards
Viel weniger von der Öffentlichkeit beachtet sind alle technischen Voraussetzungen, welche eine optimale Versorgung und größte Patientensicherheit in der Anästhesie in Krankenhäusern garantieren sollen. Damit beschäftigen sich die „Internationalen Standards für sichere Anästhesie“, welche die WHO und die Anästhesiologen-Weltföderation (WFSA) in diesem Jahr herausgegeben haben. (1)
Sie sollen alle notwendigen personellen, technischen Einrichtungen, Maßnahmen und räumlichen Gegebenheiten darstellen, um für alle Patienten Sicherheit in der Anästhesie bei chirurgischen Eingriffen zu gewährleisten. „Solche internationalen Standards sind natürlich besonders für jene Länder und Regionen der Welt wichtig, in denen Anästhesie nach dem modernsten Stand der Technik, der bestmöglichen Ausbildung des beteiligten Personals und der sonstigen Rahmenbedingungen keine Selbstverständlichkeit ist“, so Prof. Likar. „Aber auch in Ländern wie Österreich müssen wir trotz aller erreichten hohen Sicherheitsstandards weiter an Verbesserungen arbeiten. Studien zeigen, dass insgesamt in 30 Prozent der operativen Eingriffe unvorhergesehene Ereignisse, sogenannte adverse events, passieren. Ein Teil davon wäre jedenfalls vermeidbar. Die Autoren einer deutschen Untersuchung kommen zum Ergebnis, dass die Hälfte aller Todesfälle durch weitere Verbesserungen vermeidbar wären“. (4) (5)
Der „Faktor Mensch“ spielt, wie Untersuchungen zeigen, bei mehr als 70 Prozent (6) (7) aller Zwischenfälle in- und außerhalb der Medizin eine wesentliche Rolle oder trägt zumindest bei und ist deshalb ein wesentlicher Faktor für alle Bemühungen zur Erhöhung der Sicherheit. Hier gibt es bewährte Konzepte für die Ausbildung und zum kontinuierlichen Üben im Bereich „Human Factors“ und „Crisis Resource Management“ (CRM), insbesondere Simulations-Team-Trainings, wie sie etwa auch in der Luftfahrt als fester Bestandteil der Ausbildung des Personals etabliert sind. Andere wichtige CRM-Prinzipien sind etwa klare Teamführung und Kommunikation, Vorausplanung, Nutzung aller Informationen, Verwendung von Merkhilfen oder das „Speaking up“ bei Unklarheiten.
Auf dem Weg zu Digitalisierung und Technik-unterstützter Entscheidungsfindung
„Die Anästhesie ist ein Technik-affiner Bereich. Die Technologie hat riesige Fortschritte gemacht“, sagte Markstaller. Was auf das gesamte Fachgebiet in den kommenden Jahren zukommen wird: Die Digitalisierung und Vernetzung von Daten sowie Systeme, in denen mit künstlicher Intelligenz die Technik Hilfe in der Entscheidungsfindung für Anästhesie und Intensivmedizin bietet. „Wir sammeln unglaublich viele Daten. Was aber fehlt sind, sind ‚Decision Support Systems‘. In der Finanzwelt sind sie längst im Einsatz. Der Autopilot eines Flugzeugs macht ja auch Vorschläge, ohne die letztliche Entscheidung des Piloten vorwegzunehmen. Solche Hilfssysteme könnten echte Sicherheitswerkzeuge werden“, betonte Markstaller.
Service: Jeder Mensch kann ein Leben retten: Richtig Vorgehen mit dem „P-R-D“-Konzept
1. Prüfen * Vergewissern Sie sich, dass Sie sich ohne Gefahren nähern können. * Überprüfen Sie, ob die kollabierte Person antwortet. * Neigen Sie den Kopf nach hinten, heben Sie das Kinn und kontrollieren Sie die Atmung. * Wenn die Person nicht, oder nicht normal atmet, ist eine Herzdruckmassage erforderlich.
2. Rufen * Rufen Sie 144 an und folgen Sie den Anweisungen. * Wenn jemand anwesend ist, der helfen kann, bitten Sie ihn, 144 anzurufen und wenn möglich einen Defibrillator zu holen. * Die Herzdruckmassage ist das Wichtigste für das Überleben. Unterbrechen oder verzögern Sie sie deshalb nicht.
3. Drücken * Legen Sie beide Hände auf die Mitte des Brustkorbes. * Drücken Sie 100-120 Mal/min 5 bis max. 6 cm tief zum Rhythmus von „Stayin‘ Alive“. * Falls Sie geschult sind, geben Sie immer zwei Atemspenden nach 30 Kompressionen, andernfalls drücken Sie kontinuierlich weiter auf die Brust. * Drücken Sie fest und schnell. Keine Sorge, Sie können keinen Schaden anrichten. * Wenn ein Defibrillator verfügbar ist, schalten Sie diesen sofort ein und folgen Sie den Anweisungen. * Wenn die Rettungskräfte eintreffen, drücken Sie solange weiter bis Sie aufgefordert werden aufzuhören. https://goo.gl/zt2G41
Quellen: (1) Can J Anesth/J Can Anesth (2018) 65:698-708, https://doi.org/10.1007/s12630-018-1111-5 (2) Böttiger et al: „Jeder Mensch – überall auf der Welt – kann ein Leben retten“ – Mitmachen bei unserer World Restart A Heart-Initiative, Notfall Rettungsmed, doi.org/10.1007/s10049-018-0498-4) (3) http://www.reanimationsregister.de (4) Gottschalk et al: Is Anesthesia Dangerous?; Dtsch Arztebl Int 2011; 108(27): 469-74 (5) Wacker et al: The role of the anesthesiologist in perioperative patient safety, Curr Opin Anaesthesiol. 2014 Dec; 27(6): 649-656 (6) Rall et al: Human performance and patient safety. In. Miller (Hg) Miller’s Anesthesia. Elseviert Churchill, Livingston 2009 (7) Rall et al. Crisis Resource Management. Der Faktor Mensch in der Akutmedizin. Notfall Rettungsmedizin 2010. 13:349-356
(Ende)
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