Wien (pts013/13.02.2019/10:35) – Viele neue Forschungsergebnisse gibt es zur elektrischen Rückenmarkstimulation mit 10.000 Hertz: Vorläufige Berichte, die kürzlich bei einem Fachkongress in Las Vegas vorgestellt wurden, belegen die Wirksamkeit dieser Form der Schmerztherapie bei peripheren neuropathischen Schmerzen, hartnäckigen Beinschmerzen oder dem „Failed Back Surgery Syndrome“, also anhaltenden Schmerzen nach Rückenoperationen. „Es ist erfreulich, wenn wir diesen Patienten mehr Optionen anbieten können“, sagt o.Univ.-Prof. DDr. Hans-Georg Kress anlässlich der 18. Österreichischen Schmerzwochen.
Das Verfahren der elektrischen Rückenmarkstimulation („Schmerzschrittmacher“) wird schon seit rund 40 Jahren erfolgreich gegen chronische Schmerzen eigesetzt. Neu war vor einigen Jahren das Konzept, die Frequenz der elektrischen Impulse, die bei diesem Verfahren abgegeben werden, auf 10.000 Hertz (HF10) hinaufzusetzen. „Ein Teil der Fachwelt war zunächst skeptisch, aber die Ergebnisse mit der Hochfrequenzstimulation in der SENZA-Studie 2015, also der zulassungsrelevanten Vergleichsstudie, sprachen für sich“, berichtet o.Univ.-Prof. DDr. Hans-Georg Kress, Vorstandsmitglied der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG), anlässlich der 18. ÖSG-Schmerzwochen.
Die noch junge Behandlungsmethode etablierte sich seither auch in Österreich – und die Forschung liefert immer wieder neue Belege ihrer Wirksamkeit. Besonders gute Ergebnisse erzielt die HF10 bei Patienten mit unspezifischen Rücken- und Kreuzschmerzen, die nicht ins Bein ausstrahlen und sehr schwer zu behandeln sind.
„HF10 ist zwar keine Wundermethode, die starke chronische Schmerzen wegzaubert. Als Erfolg gilt es bei chronischen Schmerzen generell, wenn der Schmerz um 30 bis 50 Prozent gelindert werden kann – und das ist bei schweren Fällen eine Menge“, so Prof. Kress. Manche Patienten sprechen besonders gut auf die Behandlung an. So auch Goran Kulas, der fast 30 Jahre lang alles versucht hatte, um seine massiven Rückenschmerzen in den Griff zu bekommen. Auf einer Skala von 0 bis 10 lag seine Schmerzstärke regelmäßig zwischen 7 und 8, heute, nach Implantation des HF10-Systems bei Prof. Kress im AKH Wien, gerade einmal bei Stärke 2. „Ich hatte schon resigniert. Seit der Operation hat sich mein Leben aber völlig zum Besseren verändert, ich bin wie ein neuer Mensch“, berichtet Goran Kulas.
Hilfe bei therapieresistenten Rückenschmerzen mit weniger Opioiden
Welchen Innovations- und Forschungsschub die Entwicklung der HF10 ausgelöst hat, zeigt die Vielzahl an Berichten, die im Jänner 2019 beim jährlichen Fachkongress der North American Neuromodulation Society in Las Vegas vorgestellt wurden. Einer (McCutcheon) bestätigt die Erfahrung von Goran Kulas: Wissenschaftlich ausgewertet wurden 66 Patienten, die an therapieresistenten Rückenschmerzen litten und für eine orthopädisch-chirurgische Operation nicht geeignet waren. „Für diese Patienten gibt es – abgesehen von Opioiden mit kombinierter multimodaler Therapie – kaum Behandlungsoptionen“, merkt Prof. Kress an.
Von 66 Patienten entschlossen sich nach erfolgreicher Probestimulation 45 zu einer Implantation. Die Erfolgs-Rate nach der Implantation betrug 84 Prozent. Auf der Skala von 0 bis 10 lag die durchschnittliche Schmerzintensität zu Behandlungsbeginn bei 8,2. Bei der letzten Kontrolluntersuchung im Rahmen der Studie – durchschnittlich nach knapp einem Jahr – betrug sie nur mehr 2,5 Punkte. Der Opioidgebrauch sank bei mehr als der Hälfte (56 Prozent) der so behandelten Patienten. Die Mehrheit der Patienten (57 Prozent) gab an, dass ihre Lebensqualität „besser“ oder „sehr viel besser“ sei. Fast 89 Prozent zeigten sich mit der Behandlung und deren Ergebnissen zufrieden – Alltagsaktivitäten wie arbeiten gehen, den Einkauf ohne Unterstützung erledigen, Putzen, Kinder hochheben oder Sport waren wieder möglich.
HF10 wirkt auch, wenn traditionelle Neurostimulation nicht erfolgreich ist
Eine andere, retrospektive US-amerikanische Studie (Ghosh) hat analysiert, ob HF10 jenen Patienten helfen konnte, die nicht auf herkömmliche Rückenmarkstimulation ansprachen. „Die Ergebnisse deuten durchaus darauf hin. Sie könnte auch für Patienten geeignet sein, bei denen die Wirkung der traditionellen Behandlung nach sechs Monaten nachlässt“, fasst Prof. Kress zusammen. Untersucht wurden insgesamt 32 Patienten. Die meisten (18) litten unter einem Failed Back Surgery Syndrome (FBSS), acht am Komplexen Regionalen Schmerz Syndrom (CRPS), der Rest an anderen schmerzhaften Erkrankungen. Die Hälfte der Studienteilnehmer waren ausgezeichnete Responder: Sie starteten mit einer durchschnittlichen Schmerzstärke von 8,7 auf der Skala von 0 bis 10, bei der letzten Kontrolluntersuchung nach sechs Monaten betrug diese nur mehr 3,2.
Die Subanalyse ergab, dass 12 von 17 der FBSS-Patienten moderate bis ausgezeichnete Responder waren. Der mit 100 begrenzte Oswestry Disability Index verbesserte sich im Schnitt von 58 Punkten (schwere Behinderung) auf 38 Punkte (mittelmäßige Behinderung). Mehr als die Hälfte der Behandelten (52,9 Prozent) gab bei der letzten Kontrolluntersuchung an, nur mehr minimal oder mäßig an Schmerzen zu leiden. „Das ist ein äußerst erfreuliches Ergebnis, denn das FBSS ist ein häufiges und großes schmerzmedizinisches Problem“, so Prof. Kress. Die Unteranalyse zum CRPS zeigte ähnlich gute Ergebnisse: 6 von 9 Patienten waren mäßige bis gute Responder.
Langfristige Erleichterung bei Polyneuropathie an Armen und Beinen
HF10 dürfte sich auch für die Behandlung chronischer peripherer neuropathischer Schmerzen eignen, zeigt eine prospektive US-amerikanische Untersuchung (Galan). Prof. Kress: „Gerade für diese Patientengruppe gibt es hauptsächlich pharmakologische Behandlungen mit beschränkter Wirksamkeit und mitunter starken Nebenwirkungen. Auch für diese Patienten brauchen wir zusätzliche andere Behandlungsoptionen.“
In die Studie waren 26 Patienten eingebunden, die an peripheren Polyneuropathien der unteren oder oberen Gliedmaßen litten und eine Schmerzintensität von mindestens 5 auf einer Skala von 0 bis 10 angaben. 21 Patienten sprachen auf die Behandlung an, bei 18 wurden die Senza-Implantate tatsächlich eingesetzt – und das mit gutem Erfolg: Betrug die Schmerzintensität zu Behandlungsbeginn 7,9 cm auf der zehn Zentimeter langen Visuelle Analogskala (VAS), so konnte sie bereits nach einem Monat auf 2,3 cm gesenkt werden. Nach 24 Monaten lag die Schmerzstärke bei erträglichen 1,4 cm. Positiv fiel auch die Evaluation mit dem Pain Disability Index aus, der die Einschätzung der Beeinträchtigung des alltäglichen Lebens erlaubt. Mehr als die Hälfte der Patienten erlebte eine klinisch bedeutsame (MCID) Reduktion ihrer täglichen Beeinträchtigung.
Chronische Beinschmerzen: 86 Prozent weniger Schmerzen
Eine prospektive, multizentrische australische Studie (Sullivan) ging schließlich der Frage nach, ob HF10 auch bei hartnäckigen Beinschmerzen hilft. In die vorläufige Zwischenauswertung der Studie eingeschlossen waren 15 Patienten mit besonders hartnäckigen chronischen Beinschmerzen, die bereits drei oder mehr Monate konservative Therapie ohne Erfolg durchlaufen hatten und für eine Rückenmarkstimulation geeignet waren. 11 von diesen 15 Patienten waren Responder mit einer durchschnittlichen Schmerzreduktion von 86 Prozent nach zwölf Monaten. 60 Prozent fanden ihren Gesundheitszustand verbessert, 40 Prozent sogar sehr verbessert.
Quellen: L. Kapural et al, Novel 10-kHz High-frequency Therapy (HF10 Therapy) Is Superior to Traditional Low-frequency Spinal Cord Stimulation for the Treatment of Chronic Back and Leg Pain: The SENZA-RCT Randomized Controlled Trial, Anesthesiology 10 2015, Vol.123, 851-860. doi:10.1097/ALN.0000000000000774, D. McCutcheon, Retrospective Review of 66 Consecutive 10 kHz Spinal Cord Stimulation for Refractory Back Pain without Prior Surgery at a Single Commercial Center; P. Ghosh et al: High Frequency Spinal Cord Stimulation (HF-SCS) at 10 kHz as Salvage Therapy for Unsuccessful Traditional Spinal Cord Stimulator Trials and Implants. V. Galan et al, A Prospective Clinical Trial to Access High Frequency Spinal Cord Stimulation (HF-SCS) at 12 kHz in the Treatment of Chronic Intractable Pain from Peripheral Polyneuropathy (PPN); R. Sullivan et al, Spinal Cord Stimulation at 10 kHz for Chronic Intractable Leg Pain: a Prospective, Multicenter Australian Study
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