TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Spenden-Ärger und Mini-Kompromisse“, von Alois Vahrner

Innsbruck (OTS) – Zu hohe Wahlkampfkosten und unklare Partei-Spenden: Die drei „Großen“ haben viel Erklärungsbedarf.Unterdessen rüsten alle neben dem Wahlkampf bereits für den großen Regierungspoker nach der Wahl. Elf Wochen sind es noch bis zur Neuwahl am 29. September. Und mehr denn je zeigt sich, wie nötig die jüngste Verschärfung der Parteienfinanzierungs-Regeln war bzw. dass eine weitere Nachbesserung noch erforderlich wäre. Gestern kündigte der Rechnungshof (den SPÖ und FPÖ unverständlicherweise nicht als Kontrolleur für die Spenden haben wollten) vorerst einmal Anzeigen gegen die ÖVP (die bei der letzten Wahl die Grenze am meisten überzogen hat) und die SPÖ an, die FPÖ wird noch folgen. Richtschnur muss sein: Es braucht glasklare Regelungen, die penibel kontrolliert werden müssen, die keine weiteren Schlupflöcher aufweisen (wie Vereine oder „außerordentliche“ Mitglieder) und deren Übertretung dann entsprechend hart geahndet wird. Abseits dieser Causa sind alle Parteien längst im Wahlkampfmodus. Momentan (und da kann sich im zu befürchtenden Schlamm-Wahlkampf noch einiges ändern) steuert die ÖVP (liegt in Umfragen bei etwa 37 Prozent) auf einen klaren Wahlerfolg zu, wobei die Bäume derzeit aber nicht in den Himmel wachsen. Die SPÖ dümpelt bei 22 bis 23 Prozent, womit die Ansage etwa von Parteichefin Pamela Rendi-Wagner im TT-Interview, noch an Platz 1 zu glauben, wohl eher als Mutmacher in eigener Sache zu werten ist. Die FPÖ liegt bei etwa 18 Prozent. Kein Absturz, aber weit unter ihrem letzten Ergebnis. Die Grünen könnten jetzt mit etwa 12 Prozent, die NEOS mit 8 Prozent rechnen. Ein solches Ergebnis hieße, dass die ÖVP mehrere Koalitions-Optionen hätte (mit SPÖ, FPÖ und in einer Dreiervariante mit Grünen/NEOS oder vielleicht sogar auch allein mit den Grünen) und sich die Variante Rot-Blau (was die SP wegen der internen Widerstände wohl ohnehin zerreißen würde) nicht ausgehen würde. Interessant, dass sich die SPÖ auch als Juniorpartner eine Koalition mit dem soeben abgewählten Altkanzler Kurz vorstellen könnte und FPÖ-Chef Norbert Hofer sogar unbedingt eine Neuauflage will. Wieder Türkis-Blau wäre für Kurz nicht nur wegen des größten Knackpunkts Herbert Kickl ein schwer zu argumentierender Salto rückwärts. Dass Bundespräsident Alexander Van der Bellen laut über eine Ablehnung Kickls als Minister nachgedacht hat, könnte ihm im Fall des Falles auch noch gröbere Argumentations-Probleme bescheren. Unterdessen macht die Übergangsregierung unter Kanzlerin Brigitte Bierlein einen guten Job. Dass zurzeit aber eben vorwiegend nur verwaltet wird, merkte man an der Wieder-Nominierung von Johannes Hahn als EU-Kommissar. Hahn wäre unter Türkis-Blau wohl durch Karoline Edtstadler ersetzt worden. So aber darf Hahn als kleinster gemeinsamer Nenner bleiben.

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