Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 24. Jänner 2020. Von MARCO WITTING. „Die Revolution hat Tradition“.

Innsbruck (OTS) – Es wären perfekte Voraussetzungen für die ÖVP in Innsbruck. Doch die Partei schießt wieder einmal ihre führenden Köpfe ab und sich selbst wieder in die Bedeutungslosigkeit zurück. Das kann der Landespartei nicht gefallen. Mit Traditionen sollte man nicht brechen. Zumindest dahingehend bleibt sich die Innsbrucker ÖVP treu. Vor genau einem Jahr zerfleischte sich die Stadtpartei zum (bis gestern) letzten Mal selbst. Jetzt geht es erneut von vorne los. Wieder ohne Not. Wieder ohne ersichtlichen Plan B. Die ÖVP gewinnt Wahlen. Überall. Mit Kurz auf Bundes-, mit Platter auf Landes­ebene. Immer fährt man in Innsbruck gute, ja sehr gute Ergebnisse ein. Auch sonst wäre es angerichtet in der Landeshauptstadt. Bürgermeister Georg Willi ist in der harten Realität des politischen Alltags angekommen und bringt wenig weiter. Wie die Konkurrenz aus dem bürgerlichen Lager: Für Innsbruck kämpft seit der Gemeinderatswahl, die FPÖ seit der Ibiza-Affäre mit sich selbst. Ein perfektes Umfeld für die Schwarzen. Und die ÖVP? Schießt sich selbst wieder ins Aus. Dieses Mal mit einem Putsch aus dem Nichts. Und genau dorthin könnte diese Aktion die Partei in der Stadt jetzt auch führen. Im Jänner 2019 montierte der Arbeitnehmerflügel AAB mit GR Andreas Wanker und den anderen Bünden den damaligen Klubchef Johannes Anzengruber aus dem Wirtschaftsbund ab. Dank der zeitweisen Beurlaubung von GR Birgit Winkel hievte man Christoph Appler nicht nur wieder in den Gemeinderat, sondern später auf den Sessel des Stadtparteiobmanns. Um ihn diese Woche wieder ins Aus zu kicken. Warum? Weil sich Wirtschaftsbund und AAB plötzlich wieder lieb haben oder weil es um Macht oder Posten geht? Appler wirft man, ganz traditionell, das vor, was man Anzengruber vor 12 Monaten vorgehalten hat. Mangelnde Kommunikation. Ernstzunehmende Erklärungen für den Putsch blieben die vier beteiligten Gemeinderäte gestern schuldig. Dass die Revolte zurückgenommen wird, scheint ausgeschlossen. Das Tischtuch ist zerschnitten. Auch wenn es kommende Woche wieder Gespräche geben soll. Einziger Trumpf der Achse Gruber-Appler wäre ein Verbleib des Noch-Vizebürgermeisters im Amt. Aber das würde der ÖVP nur noch mehr schaden. Das alles kann der Landespartei nicht gefallen. Tut es auch nicht. Dementsprechend deutlich fällt die Reaktion der Parteizentrale aus. Hinter den Kulissen war zu hören, dass man Wanker als Vizebürgermeister der Stadt verhindern wolle. Ob das überhaupt möglich ist, bleibt abzuwarten. Innsbruck bleibt das Sorgenkind der ÖVP im Land. Entgegen dem Trend, aber ganz nach der Tradition.

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