Innsbruck (OTS) – Die Euphorie über die Bundes-Pflegereform ist gebremst. Gehaltsboni mit offener Zukunft, das Ausklammern ganzer Berufsgruppen – die Kinderkrankheiten sind offenkundig. Auch das Tiroler Zusatzpaket muss seine Nachhaltigkeit erst unter Beweis stellen. Das Ende der Begutachtungsfrist von zentralen Teilen der Bundes-Pflegereform hat am Dienstag für Ernüchterung gesorgt. So sehr Gesundheitsminister Johannes Rauch und die türkis-grüne Koalition für das Milliardenpaket zunächst beklatscht wurden, so sehr gilt es nun, dessen Schwachstellen und potenzielle Kinderkrankheiten zu beseitigen. Interessenverbände, Organisationen und Praktiker haben das Paket, nachdem der konkrete gesetzliche Rahmen für die Umsetzung dessen, was von der Bundesregierung als „großer Wurf“ im Mai gefeiert worden war, hinsichtlich Praxistauglichkeit auf Punkt und Beistrich hinterfragt. Der Gesundheitsminister scheint für Verbesserungsvorschläge offen zu sein. Muss er auch sein. Denn dass Nachbesserungsbedarf besteht, zieht sich wie ein roter Faden durch die Stellungnahmen. Als Herzstück wurde der 520 Millionen Euro schwere Pflege-Gehaltsbonus für die Jahre 2022 und 2023 präsentiert. Dessen Anziehungskraft bleibt vorerst freilich ein bunter Luftballon, dessen künftige Richtung erst die ausstehenden Finanzausgleichsverhandlungen zwischen Bund und Ländern bestimmen werden. Weil: Als Fixum überführen sollen ihn die Länder. Beide Seiten haben sich bereits eingegraben: hier Rauch, der die Fortführung des Bonus als unabdingbar erachtet, dort ein Noch-LH Günther Platter, welcher hierfür einen finanziellen 1:1-Ausgleich erwartet. Ausgang: offen. Dass ganze Berufsgruppen, wie Heimhilfen oder die Behindertenarbeit, gleich gänzlich vom Bonus-System ausgeschlossen werden, leistet einer weiteren Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Pflege Vorschub. Ob das Tiroler Pflegepaket, welches Schwarz-Grün am Dienstag nachgeschossen hat, nachhaltige Wirkung entfalten wird, ist ebenso noch nicht garantiert. Wie auch im Bund gilt: Ein erster wichtiger Schritt ist getan, die Pflege wird aber ein ewiger Patient bleiben. Aber auch Platter und Co. haben ihr Paket vorerst nur befristet angelegt. Zentrale Versprechen muss zudem erst der neue Landtag auf Schiene bringen. Aber wer glaubt denn wirklich, dass das nun abzuschaffende Schul- und Studiengeld je wieder eingeführt wird? Und auch dem erneut ausgeklammerten Thema Arbeitszeitverkürzung wird sich Tirol einmal stellen müssen. In welche Richtung auch immer. Dass Tirol dem Bund den 44-Mio.-Gehalts-Bonus vorstreckt, um ihn im Herbst 2022 und nicht erst im Frühjahr 2023 auszahlen zu können, ist der Landtagswahl im September geschuldet. Ein billiges Wahlzuckerl im doppelten Sinn. Weil durchschaubar, aber auch weil es das Land letztlich keinen Cent kostet.
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