TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Politik kann auch positiv überraschen“, von Anita Heubacher

Innsbruck (OTS) – In den letzten zweieinhalb Jahren Corona-Politik hat man sich so an Zickzackkurse gewöhnt, dass man nun positiv überrascht ist, dass Türkis-Grün sich an die Strategie hält, die die Bundesregierung selbst gewählt hat. Respekt. Die Schule startet ohne Massentes­tungen und ohne Maskenpflicht. Also weitgehend ohne Corona-­Regeln, wie vor der Pandemie. Das mag zwar für einige Kommentatoren in der Medienbranche „so wie erwartet“ sein, wissen konnte man das bis zuletzt nicht. Skepsis war angebracht. Denn in zweieinhalb Jahren Pandemie lernte man in Österreich, dass die Corona-Politik der Bundesregierung oft mit Wahlterminen, Umfragewerten und parteipolitischen Grenzen korrelierte. Die Bevölkerung bedankte sich für diesen Zickzackkurs mit den schlechtesten Zustimmungswerten für eine Bundesregierung, die es je gab. Gestern nun konnte man ob der Standhaftigkeit des türkisen Bildungsministers Martin Polaschek und des grünen Gesundheitsministers Johannes Rauch positiv überrascht sein. Beide Minister hielten sich an die Strategie, die man selbst gewählt hatte. Sogar über die Parteigrenzen hinweg. Weder Polaschek noch Rauch preschten letzte Woche vor, um zu verkünden, was etwaig in den Zuständigkeitsbereich des anderen fällt, nur um dem medial die Show zu stehlen. Trotz Kritik und medialer Prügel blieben beide einer Linie treu. Mit dem Virus leben lernen. So wie andere Staaten schon länger, hat sich Österreich dazu durchgerungen. Das Virus ist gekommen, um zu bleiben. Damit müssen wir umgehen, in allen Lebensbereichen und damit auch an den Schulen. Covid wird hoffentlich weiter aus dem Scheinwerferlicht verschwinden, sofern das Virus nicht gefährlicher wird. Und selbst darauf, wieder ein Lob, ist die Bundesregierung durch den Variantenplan vorbereitet. 30 Millionen PCR-Tests wurden allein im letzten Schuljahr an Österreichs Schulen abgewickelt. Davon waren ein Prozent der Ergebnisse positiv. Wie viele der positiv Getesteten tatsächlich krank wurden und wie schwer, wurde nicht erhoben und durfte bis vor wenigen Monaten auch gar nicht hinterfragt werden. Die Schule sollte durch die Tests ein sicherer Ort werden und selbst das ist strittig, wenn nun 90 Prozent der Kinder als „durchseucht“ gelten. Die Bundesregierung setzt auf Eigenverantwortung. Sie will mit Empfehlungen arbeiten und nicht mehr versuchen, durch Verordnungen, die zum Teil nicht halten, zu regeln, wer sich mit wem aus wie vielen Haushalten treffen darf. Das alles geht in die richtige Richtung. Die wird hoffentlich beibehalten, auch wenn die Wahlen in Tirol geschlagen sind und der Bundespräsident gewählt ist. Man sieht, noch ist die Skepsis nicht ganz verschwunden.

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