Berlin (pts021/05.10.2016/12:35) – Immer mehr Daten weisen für den kathetergestützten Aortenklappenersatz (TAVI) einen hohen Nutzen im Vergleich zur offenen Herzchirurgie aus – nicht nur bei inoperablen und Hochrisikopatienten, sondern auch bei Personen mit mittlerem und niedrigem Operationsrisiko. Das dürfte die künftige Versorgungspraxis deutlich verändern. Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie aktualisiert ihre Qualitätskriterien für TAVI-Zentren und -Behandler im Lichte der neuen Studien.
„Immer mehr aktuelle Studien- und Registerdaten belegen für den kathetergestützten Aortenklappenersatz einen hohen Nutzen im Vergleich zu chirurgischen Eingriffen am offenen Herzen, und zwar nicht nur bei inoperablen oder Hochrisiko-Patienten, sondern auch bei Betroffenen mit mittlerem oder niedrigem Operationsrisiko“, betonte Prof. Dr. Karl-Heinz Kuck, Asklepios Klinik St. Georg, Hamburg, heute auf einer Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) im Vorfeld der DGK Herztage 2016. „Das verändert zunehmend die Praxis der Versorgung von Herzklappenpatienten.“
Die kathetergestützte Aortenklappenimplantation (TAVI) ist zur Behandlung der Aortenklappenstenose bei Patienten, die für einen chirurgischen Klappenersatz nicht in Frage kommen, und bei Patienten mit sehr hohem Operationsrisiko die Therapie der Wahl, was auch die entsprechenden Leitlinien vorsehen. „Bei älteren Menschen werden Aortenklappenprothesen vor diesem Hintergrund kaum am offenen Herzen eingesetzt, sondern in der überwiegenden Zahl der Fälle mittels Katheterintervention“, berichtet Prof. Kuck. „Gemäß Daten des AQUA-Registers, der gesetzlich vorgeschriebenen externen Qualitätssicherung, erhielten von den 2014 behandelten Patienten mit Aortenklappenstenose 69 Prozent der über 70-Jährigen, 89 Prozent der über 80-Jährigen und 99 Prozent der über 90-Jährigen eine TAVI.“
Seit 2005 wurden in Deutschland insgesamt rund 50.000 TAVI-Interventionen durchgeführt, 2013 wurden erstmals mehr perkutane als chirurgische Aortenklappen eingesetzt. Trotz des starken Anstiegs der Zahl von TAVI-Eingriffen ging die Anzahl chirurgischer Klappenimplantationen nur geringfügig zurück, so Prof. Kuck: „Es erhalten also insgesamt mehr Menschen als früher eine künstliche Aortenklappenprothese, weil man eine sichere Alternative zur offenen Operation hat.“
Hohe Sicherheit auch für Patienten mit mittlerem und niedrigem Risiko
„Daten aus klinischen Studien wie PARTNER 2A, SAPIEN 3 und deutsche Registerdaten haben inzwischen gezeigt, dass insbesondere eine transfemoral durchgeführte TAVI auch bei Patienten mit mittlerem Risiko mit gleichem oder niedrigerem Mortalitätsrisiko verbunden ist als die konventionelle Operation am offenen Herzen,“ berichtet Prof. Kuck.
Eine Anfang 2016 publizierte Analyse der AQUA-Daten aller 2013 in Deutschland behandelten Klappenpatienten zeigte bezüglich der Krankenhausmortalität bei Patienten mit niedrigem OP-Risiko die Gleichwertigkeit von chirurgischem und kathetergestütztem Klappenersatz, insbesondere bei transfemoraler TAVI. Bei Patienten im mittleren und Hochrisikobereich war die Krankenhausmortalität der TAVI-Patienten geringer. Eine kürzlich beim Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) in Rom präsentierte Analyse von Niedrigrisikopatienten hat ähnliche Ergebnisse für 2014 gezeigt.
„In einer Meta-Analyse von randomisierten Studien, die TAVI mit herzchirurgischem Klappenersatz bei Patienten mit mittlerem und hohem OP-Risiko verglichen haben, geht der kathetergestützte Klappenersatz über einen Nachbeobachtungszeitraum von zwei Jahren mit einem signifikanten Überlebensvorteil einher“, so Prof. Kuck. Dieser Vorteil erwies sich als unabhängig vom eingesetzten Klappentyp und war besonders ausgeprägt bei Patienten, die transfemoral behandelt wurden sowie bei Frauen.
„Wir können daraus ableiten, dass eine TAVI auch ausgewählten Patienten mit einem niedrigen Operationsrisiko als sichere Option angeboten werden kann. Die vorliegenden Daten zu Patienten mit niedrigem Risiko sind noch in randomisierten Studien zu bestätigen“, betont Prof. Kuck. „In den USA werden derzeit bereits Niedrigrisiko-Patienten in die randomisierte Studie PARTNER 3 eingeschlossen. Die Patienten dieser Studie sollen über zehn Jahre nachbeobachtet werden, um die Frage der Haltbarkeit der chirurgischen und der Katheter-Klappen im direkten Vergleich zu untersuchen.“
Hohe Haltbarkeit der TAVI-Klappen – Kein Vorteil für Zentren mit Herzchirurgie
Auf dem Euro-PCR-Kongress in Paris in 2016 war die Frage nach der Degeneration der TAVI-Klappen anhand von echokardiographischen Langzeitdaten aus Kanada und Frankreich Anlass zu einer kritischen Diskussion. Untersuchungen des Herzzentrums Brandenburg zeigen, dass es im Langzeitverlauf sechs Jahre nach TAVI zu keiner verfrühten Klappendegeneration kommt.
„Aktuelle AQUA-Daten zeigen übrigens auch eine andere Dimension der Gleichwertigkeit auf“, so Prof. Kuck. „Zwischen TAVI-Zentren, die nur über eine Kardiologie, nicht aber eine Herzchirurgie verfügen, und Zentren, in denen es auch eine bettenführende herzchirurgische Abteilung gibt, lassen sich keine Unterschiede bei der Mortalität nach TAVI-Interventionen feststellen. Trotzdem erlauben die Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses seit Ablaufen der Übergangsfrist Ende Juni die Durchführung von TAVI nur noch in Zentren mit bettenführender Herzchirurgie.“
Aktualisierung des DGK-Positionspapiers: Qualitätskriterien für TAVI-Zentren und -Behandler
Im Lichte der aktuellen Datenlage wurden die Qualitätskriterien der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie für TAVI-Zentren und -Behandler aktualisiert und sind auf der Internetseite der DGK verfügbar. Prof. Kuck: „Insbesondere betrifft das die erweiterte Indikationsstellung für TAVI, was Patienten mit mittlerem OP-Risiko betrifft, und die Zertifizierung der interventionellen Kardiologen, die TAVI-Prozeduren durchführen.“
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