Das kritische Moment im Horror-Massaker

Metzingen (pts009/03.05.2017/09:00) – Mit „Get out“ startet am 4.5.2017 ein düsterer Thriller in den deutschen Kinos, der ernsthafte kulturelle Probleme wie Rassismus aufgreift. Kann der Film trotz seiner Horror- und Mystery-Elemente zum innovativen Schocker mit Präzedenz-Charakter werden oder ist das Verhandeln ernsthafter gesellschaftlicher und politischer Probleme und Fragestellungen ein absolutes No-Go des Genres?

Bei „Get Out“ ist bereits die Genre-Einordnung irritierend anstrengend, weshalb der Film eigentlich einen schweren Start haben sollte: Ein Thriller, der Mystery-Stimmung verbreitet, mit Horror-Elementen und satirischen Momenten. Den Genre-Mix erklären könnte der Kopf dahinter: Drehbuch und Regie stammen von Jordan Peele, der sich vor allem als Comedian einen Namen gemacht hat. Soll das heißen, dass ausgerechnet ein aufstrebender Komiker das Horror-Genre revolutioniert?

Der Horror beginnt

Zuerst einmal merkt man im Trailer nichts von der Verschränkung. Die dargestellten Ausschnitte des Films vermitteln einen ziemlich unheimlichen und mysteriösen Eindruck; es scheint darum zu gehen, wie die Familie einer jungen Frau Menschen mit dunkler Hautfarbe hypnotisiert und „verschwinden“ lässt. Eine ziemlich irritierende Idee, bei der sich ein zweiter Blick lohnt.

Der Film setzt ein in New York. Der dunkelhäutige Fotograf Chris und seine hellhäutige Freundin Rose führen seit fünf Monaten eine Beziehung. Grund genug für Rose, ihren Freund den Eltern vorzustellen. Der Trip dorthin führt raus aufs Land, ins abgelegene Heimatdorf von Roses Familie. Die Eltern begrüßen Chris etwas überschwänglich, alles in allem aber eigentlich relativ „normal“: Der Vater klopft unangenehme Sprüche und die Mutter will ihn hypnotisieren, vornehmlich damit er zu rauchen aufhört. Einzig etwas irritierend sind die ständigen Verweise auf Chris‘ Hautfarbe, die seine Freundin jedoch nicht wahrnimmt. Es folgen weitere bizarre Gespräche, mit dem Hausmädchen und dem Gärtner, die beide ebenfalls eine dunkle Hautfarbe haben.

Bei einer Feier zu Ehren des verstorbenen Opas erhärtet sich Chris‘ Theorie, dass sich Dunkelhäute auf dem Anwesen der Schwiegereltern generell seltsam verhalten: Unter den Gästen ist ein junger Mann, der eine rüstige Dame begleitet und den Chris von früher, aus seiner Nachbarschaft als Andre zu kennen meint. Er spricht ihn an, Andre scheint ihn jedoch genauso wenig zu (er)kennen, wie er etwas mit der Ghettofaust zur Begrüßung anfangen kann. Chris versucht, den vermeintlich Bekannten zu fotografieren, um das Bild einem für die Polizei tätigen Freund zu senden, woraufhin Andre aus der Nase zu bluten beginnt und aus der Haut fährt. Völlig irritiert ruft Chris seinen Freund an, nur um zu erfahren, dass im Heimatdorf seiner Freundin immer wieder dunkelhäutige Menschen verschwinden. Aufgrund der jüngsten Erlebnisse vermuten die beiden Freunde, dass Dunkelhäutige dort misshandelt und als Sexsklaven gehalten werden.

Die örtliche Polizei will ihnen diese etwas abstrus klingende Geschichte nicht glauben. Nur wenig später entdeckt Chris im Jugendzimmer seiner Freundin eine Kiste mit Fotos aus Roses Vergangenheit, woraufhin er erkennt, wie falsch er mit seinen Vermutungen lag – nur leider ist es da bereits zu spät.

Revolutioniert die Kritik das Genre?

Anders als der Trailer lässt diese etwas umfangreichere Inhaltsangabe deutlich mehr Schlüsse zu und macht spätestens mit Erwähnung der Sexsklaven-Theorie vorstellbarer, wie satirische Momente sicher hier möglicherweise mit Mystery-Stimmung verschränken lassen. Zudem erweckt die Story tatsächlich die Hoffnung nach einem gelungenen Plot-Twist und ganz generell die Frage nach der Auflösung. Gibt es die im Horrorfilm beinahe obligatorische Gewalt und den Tod von Figuren? Sind Chris Ängste eingebildet oder real und spielt die Hypnose vielleicht eine bedeutend wichtigere Rolle, als anfangs vermutet?

Die Bestätigung der abstrusen Theorie von Chris und seinem Freund wäre fatal banal. Was aber kann es dann mit dem seltsamen Verhalten der Dunkelhäutigen auf sich haben? Einen wunderbaren Einblick gibt ein Featurette über den Gärtner Walter: http://www.youtube.com/embed/t59W9YbdV2U . Wie es dort so passend heißt: „Er ist irgendwie schräg.“ Aber eben auch: „Ich mach‘ nichts, was mir nicht gefällt.“

Was man nur bewundern kann: „Get Out“, der in den USA bereits Mitte Februar 2017 in die Kinos kam und dort zum echten Überraschungserfolg wurde, hat auf Rotten Tomatoes http://www.rottentomatoes.com/m/get_out/ eine Kritiker-Wertung von 99 %, was gefühlt beinahe unmöglich ist (die Publikumsbewertung liegt mit 89 % ebenfalls deutlich über Durchschnitt). Ist es einem Comedian gelungen, den Horrorfilm durch andere Genres befruchten zu lassen und einen überkomplexen Film zu schaffen, der ernsthafte Probleme behandeln und dabei (trotzdem) Angst machen kann?

Die Reviews zum Film überschlagen sich beinahe vor Begeisterung und bejahen allesamt die eingangs gestellte Frage, ob ein Horrorfilm, ganz gleich wie zersprengt seine genaue Genre-Einordnung ist, ernsthafte gesellschaftliche und kulturelle Probleme, wie nach wie vor bestehenden Rassismus, Xenophobie oder Unterschiede zwischen Dunkelhäutigen und Weißen behandelt werden dürfen. O-Ton: Sie dürfen nicht nur, sie sollten sogar – wenn sie es schaffen, die Fragen und Probleme in ihrer ganzen Komplexität zu greifen.

(Ende)

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