Immer mehr schonende Katheter-Interventionen bei defekten Herzklappen

Wien (pts008/07.06.2018/09:50) – „Herzklappen-Erkrankungen werden immer häufiger und in den vergangenen Jahren hat sich deren Behandlung radikal weiterentwickelt. Es steigt die Anzahl der Betroffenen, die mittels schonender, Katheter-basierter Eingriffe ohne offene Operation mit Herz-Lungen-Maschine versorgt werden können“, sagt Univ.-Prof. Dr. Christian Hengstenberg (Leiter der Universitätsklinik für Kardiologie der MedUni Wien/AKH Wien) anlässlich der Jahrestagung der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft (ÖKG).

Die häufigste Herzklappen-Erkrankung ist die Mitralklappen-Insuffizienz, der Anteil von Personen mit per Herz-Ultraschall festgestellter, zumindest leicht undichter Mitralklappe wird mit rund 20 Prozent angegeben. Knapp ein Drittel der Herzklappenoperationen in den westlichen Industrienationen betreffen Patienten mit Mitralklappen-Insuffizienz. „Immer mehr Patienten werden über Kathetereingriffe durch die Leistenvene gemeinsam von der interventionellen Kardiologie mit der Herzchirurgie behandelt“, sagte der Klinikchef. In Frage kommen solche Eingriffe vor allem für Patienten im Alter über 75 Jahren und mit erhöhtem Operationsrisiko, das durch teilweise schwere Begleiterkrankungen verursacht ist.

Mitralklappen-Clipping setzt sich durch

Bei der Behandlung der Mitralklappen-Undichtigkeit hat sich das Mitralklappen-Clipping als Technik weitgehend durchgesetzt. Bei dieser Methode wird unter Vollnarkose über die Leistenvene ein Katheter in das rechte Herz und mittels Punktion der Herzscheidewand in das linke Herz vorgeschoben. An der Spitze des Katheters befindet sich der Clip, der dann unter Ultraschallkontrolle an der richtigen Stelle zwischen den Segeln der Mitralklappe platziert wird und die „Segel“ der Klappe zusammen­heftet. „Während die Technik des Mitralklappen-Clipping seit 2012/2013 immer breiter angewendet wird, sind die Ergebnisse beim Totalersatz der Mitralklappe bisher nicht überzeugend“, betont der Experte. Es müsse sich in der Zukunft herausstellen, welcher Anteil von Patienten durch interventionelle Verfahren gut behandelt werden kann.

Aortenklappe: TAVI ist Therapieoption für immer mehr Patienten

Völlig anders ist die Situation bei der Aortenklappen-Stenose. „Etwa vier Prozent der Menschen über 75 Jahre leiden an einer Aortenklappen-Stenose. Die Zahl der Betroffenen steigt, weil die Menschen älter werden“, sagt Prof. Hengstenberg. Auch hier setzen sich interventionelle Ansätze immer mehr durch. „Ich schätze, dass in der Zukunft etwa die Hälfte der notwendigen Eingriffe per Operation, die andere Hälfte per Katheter-Intervention erfolgen wird“, so der Spezialist. Wie auch bei der Mitralklappen-Insuffizienz werden jüngere Patienten in besserem Gesundheitszustand eher chirurgisch versorgt, aber die interventionellen Eingriffe machen einen immer größeren Anteil aus. Bei diesen TAVI-Interventionen (Transcatheter Aortic Valve Implantation; perkutaner Aortenklappen­ersatz) wird über einen Katheter eine zusammengefaltete „neue“ Herzklappe bis in Herz geschoben, wo sie aufgefaltet und verankert wird. „Dieser Ersatz ist deutlich einfacher als bei der Mitralklappe“, sagt Prof. Hengstenberg.

Aktuelle Zahlen belegen den wachsenden Stellenwert der TAVI-Interventionen. In den großen Studien (PARTNER 2 und SurTAVI) zeigte sich auch bei Patienten mit mittlerem Operationsrisiko mindestens eine Gleichwertigkeit zwischen dem Katheter-gestützten, minimalinvasiven Eingriff und der herkömmlichen Herzklappenoperation. Auf der Basis dieser Daten wurde in den aktuellen europäischen Leitlinien die Indikation für TAVI auf größere Patientengruppen erweitert.

Rückläufige Sterblichkeit, gute Haltbarkeit der Prothesen

Deutsche Qualitätssicherungsdaten zeigen, dass die Krankenhaus-Sterblichkeit bei TAVI-Patienten, ohne Berücksichtigung von Risikokategorien und Schweregraden, geringer oder gleich ist wie bei Chirurgie-Klappenpatienten. Die Krankenhaus-Sterblichkeit war bei Patienten mit hohem und mittlerem Risiko nach TAVI signifikant niedriger als bei einem chirurgischen Eingriff (11,3% versus 23,6% bzw. 4,1% versus 9,2%). Sogar bei Niedrigrisiko-Patienten war die Sterblichkeit im Spital nach den beiden Eingriffen vergleichbar (1,6% versus 1,4%). „Derzeit liegt die Sterblichkeit der Patienten innerhalb des ersten Jahres nach TAVI-Eingriff bei drei bis vier Prozent. Das ist eine sehr positive Entwicklung, vor einigen Jahren waren es noch etwa zehn Prozent“, sagt Prof. Hengstenberg.

Ebenso mehren sich die Langzeit-Daten für die Haltbarkeit der Prothesen. Prof. Hengstenberg: „Aufgrund der bereits vorliegenden Daten ist anzunehmen, dass die TAVI bald eine Therapieoption für die meisten Patienten mit einer Aortenklappen-Stenose sein wird.“

Entscheidungen werden im Heart Team getroffen

Die Entscheidung, ob bei Herzklappenschäden die Patienten chirurgisch oder interventionell versorgt werden, erfolgt im Heart Team. Spezialisierte Chirurgen, Kardiologen und Röntgenologen diskutieren das in jedem einzelnen Fall. Prof. Hengstenberg: „Am AKH Wien werden solche Eingriffe auch in einem neuen Hybrid-Operationssaal durchgeführt, der sowohl interventionelle Eingriffe als auch das sofortige Wechseln zur Chirurgie ermöglicht. Gleichzeitig stehen alle Möglichkeiten der Herz-Bildgebung zur Verfügung.“

Quelle: L. Gaede et al. Transvascular transcatheter aortic valve implantation in 2016 in Germany:In-hospital mortality numerically lower than for isolated surgical valve replacement. Clin Res Cardiol 107, Suppl 1, April 2018

(Ende)

Aussender: B&K – Bettschart&Kofler Kommunikationsberatung Ansprechpartner: Mag. Roland Bettschart Tel.: +43-1-319 43 78 E-Mail: bettschart@bkkommunikation.com Website: www.atcardio.at