TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Montag, 23. September 2019, von Peter Nindler: „Schönheitschirurgie statt Reformen“

Innsbruck (OTS) – Die Spitalsfinanzierung geht durch die Decke, dazu mangelt es an Transparenz und Vergleichbarkeit. Periphere Krankenhäuser werden in Tirol auch noch schlechtergestellt und die Tirol Kliniken mit Samthandschuhen angefasst. Die Zahlen sind alarmierend, doch die Tiroler Politik begnügt sich lediglich mit Kosmetik: Die Gesundheitsausgaben sind von 478 Millionen Euro im Jahr 2010 auf 814 Mio. Euro im Vorjahr in die Höhe geschnellt. Von 2017 auf 2018 gab es im Gesundheitsbereich Budgetsteigerungen von mehr als 70 Millionen Euro. Die im Frühjahr angekündigte Spitalsreform war deshalb ein ambitioniertes politisches Ziel. Doch mit der ursprünglich beabsichtigten, aber höchst umstrittenen Schließung des Landeskrankenhauses Natters hat Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) die Reform selbst in den künstlichen Tiefschlaf versetzt. Am Ende sollen bis 2025 rund 220 Betten eingespart werden, 70 davon würden auf die drei Landeskrankenhäuser der Tirol Kliniken entfallen. Wobei Tilg offensichtlich die Innsbrucker Klinik mit Samthandschuhen anfasst. Übrig geblieben sind lediglich verschwurbelte Absichtserklärungen, obwohl dort operativ akuter Handlungsbedarf besteht. Allein 46,1 Millionen Euro musste das Land 2018 für die Klinik zuschießen, gemeinsam mit Hall und Hochzirl/Natters betrug der Betriebsabgang 70 Millionen Euro. Heuer wurde deshalb bereits eine Defizitbremse von 99 Millionen Euro für die Tirol Kliniken eingezogen. Zu allem Überdruss kommt noch eine Ungleichbehandlung der peripheren Spitäler Kufstein, St. Johann und Lienz dazu. Da schneidet selbst der Bundesrechnungshof in eine offene Wunde, die vor allem die Osttiroler bluten lässt. Die Transparenz fehlt, einige Spitäler in Tirol sind gleicher. Für die 54 Gemeinden aus den Bezirken Imst und Landeck ist der Abgang für das Krankenhaus Zams nämlich mit 400.000 Euro gedeckelt, dazu gibt es seit Jahren kräftige Investitionszuschüsse. Reutte erhält einen Vorweganteil aus Mitteln des Tiroler Gesundheitsfonds von drei Millionen, in Hall erfolgt seit der Eingliederung in die Tirol Kliniken eine volle Abgangsdeckung. Wenn schon in einem kleinen Land wie Tirol die Vergleichbarkeit nicht gegeben ist, wie soll sie dann bundesweit funktionieren? Die Krankenanstaltenfinanzierung ist ein komplexer Moloch, die Transparenz wird von den Tentakeln unzähliger Finanzierungsströme erdrückt. Strukturelle Reformen in den Spitälern sind das eine, die längst notwendige nachvollziehbare Krankenhausfinanzierung aus einem Guss das andere. Für beides fehlt jedoch nach wie vor der politische Mut, weil zu viele Interessen im Spiel sind; sowohl in Tirol als auch im Bund. Über Schönheitschirurgie kommt die Politik leider nicht hinaus.

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