TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 27. April 2022 von Anita Heubacher „Mit Maske ins Wirtshaus“

Innsbruck (OTS) – Grundsätzlich ist zu begrüßen, dass Gesundheitsminister Johannes Rauch und die in dem Punkt geeinte Bundesregierung den Corona-Krisenmodus verlassen wollen. Zu wünschen ist, dass man dieser Linie treu bleibt. Es ist der wievielte Anlauf seitens der Bundesregierung, die Pandemie beenden zu wollen? Man hat aufgehört zu zählen. Nur dieses Mal haben wir eine veritable Chance, falls das Virus nicht gefährlicher wird, und das gilt als sehr unwahrscheinlich, mit dem Schutz von vulnerablen Gruppen und hoffentlich nachvollziehbaren Maßnahmen durch den Herbst und den Winter zu kommen. Die Bundesregierung hat einheitlich beschlossen, aus dem Corona-Krisenmodus herauskommen zu wollen. Türkis und Grün sind sich einig (sic!). Auch das ist bemerkenswert, denkt man an Rauchs Vorgänger und an die damaligen Bundeskanzler, die meist das Gegenteil von dem machten, was der Koalitionspartner sagte. Türkis-Grün mit neuen Köpfen hat das Aus für die Quarantäne beschlossen. Das ist ein politisch und wissenschaftlich umstrittener Schritt, aber es ist eine konsequente Entscheidung. Denn offenbar setzt die Bundesregierung seit Längerem auf die Durchseuchung der Bevölkerung. Sie hat Maßnahmen gelockert, als die Zahlen stiegen. Ist die Durchseuchung nicht mehr aufzuhalten, weil das Virus zu ansteckend ist und die Behörden überfordert sind, könnte sie Methode sein, das Ende der Pandemie herbeizuführen. Das ist eine Strategie, die andere Länder erfolgreich umgesetzt haben, ohne dass deren Gesundheits­systeme kollabiert wären. Nur sagen und offen kommunizieren sollte die Bundesregierung das noch. So viel Wahrheit ist den ÖsterreicherInnen offenbar nicht zumutbar. Daher wird die Quarantäne zwar abgeschafft, aber der Schritt mit allerlei Beiwerk versehen. Positiv Getestete können in Österreich im Gasthaus sitzen, essen und trinken dürfen sie dort zwar nichts, aber dafür mit anderen am selben Tisch plaudern. Um nur einen der Punkte zu zitieren, die Kopfschütteln verursachen. Die Verordnung ist wieder Sinnbild eines überverwalteten Staates. Wenn Österreich aus dem Krisenmodus herauskommen soll, wäre es wichtig, dass die Regierung ihrer Entscheidung treu bleibt. Das hieße dann wohl auch, dass das massenhafte Testen von Gesunden der Vergangenheit angehört, man sich tatsächlich auf die Risikogruppen konzentriert und auf die ExpertInnen hört, deren Linie durch den Verlauf der Pandemie bestätigt wurde, die am Patienten stehen und sehen, was das Virus an Krankheiten auslöst. Türkis-Grün tut gut daran, den eingeschlagenen Weg konsequent zu verfolgen, um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Denn viele Österreicher haben bereits ihren Weg gefunden, mit der Pandemie umzugehen: Wenn sie positiv sind, melden sie es nicht und kurieren sich aus.

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