Tiroler Tageszeitung, Leitartikel vom 17. April 2023. Von Anita Heubacher: „Patientenzufriedenheit – ein Fremdwort?“

Innsbruck (OTS) – In Österreich kann man sich die Krankenversicherung nicht aussuchen, nur immer mehr beim Wahlarzt zahlen. Umso ärgerlicher sind die Machtspiele zwischen Ärztekammer und Österreichischer Gesundheitskasse um die Ärztezentren. Was so sperrig klingt, brächte für PatientInnen einen riesigen Vorteil: Man könnte mit der E-Card in ein Ärztezentrum, genannt Primärversorgungseinheit, gehen und müsste sich nicht vor der Honorarnote des Arztes fürchten. Der Arzt rechnet mit der Sozialversicherung ab. Gesundheitsminister Johannes Rauch von den Grünen will die Zahl der Primärversorgungseinheiten massiv erhöhen. 2021 hätten es in ganz Österreich 75 sein sollen, 39 sind es geworden. Tirol hat keine einzige Primärversorgungseinheit zustande gebracht. Jahrelang haben Ärztekammer und Österreichische Gesundheitskasse um den Rahmenvertrag für eine PVE verhandelt. Jahrelang haben sich Kammer und Kasse den Schwarzen Peter zugeschoben und ihre Machtspiele ausgetragen. Zu Lasten der Patienten. Am Mittwoch sehen sich in Innsbruck die Tiroler Ärztekammer und die Österreichische Gesundheitskasse, ÖGK, erneut am Verhandlungstisch wieder. Es soll die letzte Verhandlungsrunde sein. Auch wenn das vertragliche Regelwerk endlich ausgearbeitet ist, ist noch lange nicht gesagt, dass Ärzte sich in dieses Korsett pressen lassen. Vieles regelt der Markt, auch weil die Politik zu langsam ist. Und so ist in den letzten Jahren die Zahl der Wahlärzte signifikant gestiegen, jene der Kassenärzte bei wachsender Bevölkerungszahl gleich geblieben. Wer kann, leistet sich schon lange eine Zusatzversicherung oder einen Wahlarzt. Dessen Honorar bezahlt der Patient und was man als solcher von der Österreichischen Gesundheitskasse zurückbekommt, ist in vielen Fällen ein Hohn. Anders als in Deutschland kann man sich in Österreich die Krankenversicherung nicht aussuchen. Man zahlt ob seines Berufsstandes in eine Krankenkasse ein, findet sich wie im Fall der Österreichischen Gesundheitskasse mit vielen schwachen Beitragszahlern wieder und wundert sich, warum seine E-Card immer weniger wert wird. Der Kasse fehlen die Beiträge, die guten Beitragszahler bleiben unter sich und die Wartezeiten werden immer länger, weil die Zahl der Kassenärzte immer kleiner wird. Die Versicherten waren noch nicht auf der Straße, weil viele von ihnen sich Wahlärzte noch leisten konnten. Die Teuerung macht allerdings auch vor dem Wahlarzt nicht Halt. Die Zahl derer, die keine echte Wahlfreiheit mehr haben, weil ihnen das Geld dafür fehlt, dürfte also größer werden. Damit wächst der Unmut, weil sich die bereits angespannte Situation bei den Kassenärzte weiter zuspitzen wird. Es ist höchste Zeit, ins Tun zu kommen.

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