Innsbruck (OTS) – Erstmals wird in der österreichischen Rechtsgeschichte in einem Gesetzesentwurf für Personen die weibliche Form verwendet. Damit werden Frauen sichtbarer. Aber keine Angst. Männer sind mitgemeint. Naturgemäß. Bislang lesen wir in Gesetzestexten immerzu von Arbeitnehmern, Unternehmern oder von Rechtsanwälten. Frauen werden mitgedacht. Jetzt dreht die grüne Justizministerin Alma Zadić den Spieß kurzerhand um. Im Gesetzesentwurf für das „Flexible Kapitalgesellschafts-Gesetz“ wird ausschließlich die weibliche Form – also Rechtsanwältinnen oder Arbeitnehmerinnen – verwendet. Männer, so wird im Gesetzestext festgehalten, werden aber ausdrücklich mitgemeint. Haben wir wirklich keine anderen Probleme? Doch, die haben wir. Zuhauf, möchte man hinzufügen, wenn man nur an Teuerung, Inflation oder den Klimawandel denkt. Aber heißt das nun, dass wir uns mit der Lebendigkeit und Veränderung von Sprache nicht auseinandersetzen sollen? Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung ist sich einig, dass die Gleichstellung der Geschlechter nicht verhandelbar ist. Die allermeisten Männer empfinden es als ungerecht, wenn bei gleicher Arbeit Frauen weniger verdienen als Männer. Darüber herrscht also Einigkeit. Doch wenn es um die sprachliche Abbildung der Frauen im Alltag geht, erleben wir oftmals einen stummen und manchmal lauten Widerstand in der Gesellschaft. Wir alle wissen, dass sich Sprache verändert. Ja, Johann Wolfgang von Goethe steht in der deutschen Literaturgeschichte oben auf dem Olymp, aber niemand mehr würde heutzutage so schreiben wie einst der große Meister. Im deutschen Sprachgebrauch ist es seit eh und je üblich, vom generischen Maskulinum Gebrauch zu machen, also von der männlichen Form für alle Geschlechter. Doch sprechen wir nur in der männlichen Form, denken wir auch nur an Männer. Warum fällt es uns dennoch so schwer, eine Sprache zu wählen, mit der wir alle ansprechen? Abkehr von Althergebrachtem ist eben mühsam. Es stimmt schon, Unterstrich, Doppelpunkt, Binnen-I und Sternchen sind schwer auszuhalten. Aber wenn wir von Lehrerinnen und Journalistinnen sprechen, dann üben wir damit keine sprachliche Gewalt aus. Wir schaffen Bewusstsein. Jahrzehntelang wurde nur von Ärzten gesprochen, Ärztinnen mussten sich irgendwie angesprochen fühlen. Wenn jetzt einmal in einem Gesetzestext ausschließlich von Mitarbeiterinnen zu lesen ist, dann wird dadurch erkennbar, dass zwischen Sprache, Geschlecht und Bewusstsein ein komplexes Beziehungsgeflecht besteht. Darauf wollte Zadić vermutlich aufmerksam machen. Wenn wir im Alltag künftig wie selbstverständlich „von Arbeitern und Arbeiterinnen“ reden, erleben wir mitunter eine neue Normalität.
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